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Den Fokus für das Wesentliche zurückgewinnen

Modelltagebuch

Wie könnte mein Tag im Sigma-Zentrum aussehen?
Ein Tag aus der Sicht eines Patienten, abends notiert im Tagebuch:

„Heute bin ich noch schwer und müde aufgestanden, 6.45h auf der Uhr. Die Gesprächstherapie gestern bei meiner Therapeutin war schon ziemlich anstrengend, ich bekomme langsam eine Ahnung, was meine Depression ausgelöst hat. Zu Hause war ich besonders morgens so antriebslos und fühlte mich auch so ohnmächtig, obwohl ich in meinen Gedanken doch wollte. Wenn ich heute morgens noch müde bin, weiß ich jetzt warum, allein das Wissen macht mich schon freier. Heute reicht es mir aber nicht mehr zur Meditation, die mir sehr hilft zu lernen, mich innerlich zu ordnen, morgen wieder, jetzt habe ich Frühstückshunger.

Arzt verfasst Notizen in ein Buch

Beim Frühstück saß mir wieder der Mitpatient gegenüber, der mich stark an meinen Chef erinnert. Bei dem fühle ich mich immer irgendwie unsicher, langsam kann ich aber schon viel besser damit umgehen als noch in den ersten Tagen.

Die 20 Minuten Zeit bis zum Beginn der Gesprächsgruppentherapie entspanne ich mich in der Wandelhalle, lasse die Gedanken wandern mit Blick in den Innenhof. Sobald es etwas wärmer ist, setze ich mich dort in eine lauschige Ecke. Anfangs fiel es mir schwer, mich zu den anderen zu setzen, war irgendwie unsicher, jetzt tut es mir gut.

Jetzt habe ich eine Stunde frei, bis um 11h das Walking beginnt. 

In der Gruppe ist es mir das erste Mal gelungen, von mir zu erzählen. Das war schwer und hat weh getan. Ich bin immer noch tief berührt über das Mitgefühl, das mir die anderen gezeigt haben — das hatte ich nicht erwartet, fühle mich jetzt sehr erleichtert und vor allem auch gestärkt. Jetzt weiß ich, warum meine Therapeutin so intensiv mit mir an diesem Thema gearbeitet hat, und mir geraten hat, mich damit mal in der Gruppe einzubringen. Es war mir aber nur möglich, weil sie mir die Freiheit ließ, ob ich mich den anderen gegenüber zeige und was ich sage, sonst wäre es für mich nicht möglich gewesen.

Das Walking hilft mir, den Kopf immer wieder frei zu bekommen. Vor allem lachen wir viel dabei, bis uns der Sporttherapeut wieder ans gleichmäßige Gehen erinnert. Rund um den Bergsee zu gehen, ist dann immer der Höhepunkt unserer Walkingrunde, die Natur berührt mich und gibt mir eine tiefe innere Freude.

Nach der Bewegung an der frischen Luft bin ich jetzt wirklich hungrig, freue mich schon auf das Mittagessen, das leicht ist und mich nicht beschwert.  Wenn ich mal keine Lust zum Reden habe bei Tisch, setze ich mich an den Schweigetisch. Morgen muss ich den Chefarzt in der Visite fragen, ich darf’s nicht vergessen so wie heute Morgen, wie lange ich die Medikamente noch nehmen muss, ich hoffe nicht mehr so lange, obwohl sie mir bis jetzt gut geholfen haben, ohne wäre mir aber schon lieber. Nachher gehe ich noch an die Vitamin-Bar, da kommen wir oft ins Gespräch miteinander, meine Mitpatienten und ich. Bevor ich um 14.10h in die Musiktherapie-Einzelstunde gehe, lege ich mich aber noch etwas hin. Obwohl ich hier viel schlafen kann, bin ich immer wieder mal mittags müde. Dass Therapie wirklich anstrengend sein kann, hätte ich vorher nicht gedacht.

In der Musiktherapie habe ich mich heute an die Trommeln getraut und das, was ich gestern in der Kunsttherapie mit kräftigen Farben ausgedrückt habe, mache ich heute mit meinen Trommeln, ich schlage richtig kräftig drauf.  Die Therapeutin hat sich kurz mal die Ohren zugehalten. Als ich noch laut dazu gesungen habe, war ich hinterher erstaunt, wie viel Kraft in mir ist.

In diesen Therapien kann ich das, was ich mit meiner Therapeutin im Gespräch erarbeite, nochmal anders erleben; und es kommen immer neue Selbsterfahrungen und Erkenntnisse hinzu. Weil ich hier erlebe, dass ich nichts falsch machen kann, dass ich nicht „falsch“ bin wie ich bin, fühlt sich alles jetzt langsam immer stärker „richtig“ an. Ich merke deutlich, wie ich selbstsicherer werde.

Jetzt bin ich froh, bis zum Abendessen Zeit zu haben und etwas in dem Buch zu lesen, das mir meine Therapeutin empfohlen hat, ich erkenne mich in einigem wieder. Morgen werde ich ihr von dem heutigen Tag erzählen, was ich erlebt und gefühlt habe. Morgen habe ich auch wieder Körpertherapie. Hätte nicht gedacht, dass mir mein Körper so viel über mich selbst „erzählt“; ich spüre, dass ich langsam lerne, mit anderen zusammen zu sein, ohne dauernde Anspannung. Ich bekomme immer stärker ein tiefes, gutes Gefühl zu mir und meinem Körper.

Vor dem Abendessen muss ich noch einmal kurz bei den Schwestern vorbei; vermutlich wollen sie mir noch einen Termin für eine ärztliche Untersuchung geben, denn hier werde ich regelmäßig durchgecheckt. Aber das tut mir gut, weil ich weiß, dass ich bestens aufgehoben bin, wenn mir etwas fehlt, und auch immer einen verständigen Gesprächspartner habe.

Heute nach dem Abendessen werde ich das erste Mal in den Klinik-Chor gehen, die anderen Patienten haben mich dazu überredet. Es sei total schön bei den ‚Sigma-Singers‘. Mal schauen!

Gut, dass nicht jeder Tag so intensiv ist, muss man ja auch alles verarbeiten, was sich in einem so alles „umkrempelt“. Bin darum auch froh über mein Einzelzimmer. Gott sei Dank schlafe ich auch wieder besser: was die Therapie und die Medi‘s dazu beitragen kann ich nicht wirklich sagen, es wirkt vermutlich alles zusammen, auch dass ich mich in diesem Haus wohl fühle.

Für heute ist‘s genug. Morgen geht es bestimmt wieder einen Schritt aufwärts.“